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Historisches Handwerkszeug: der Pigmentkasten

Fotos: Conny Trumann

Dieser Artikel erschien in der MarktImpulse 3/21

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Was ist der Instrumentenkasten des Malers? Auch wenn er längst von Pantone-Fächern und RAL-Farbtabellen abgelöst wurde – früher trugen Maler einen Pigmentkasten bei sich. Kleine Pigmentproben nach geheimer Rezeptur halfen dabei, Ideen zu visualisieren.

Ist das Grün eher bläulich oder schimmert es gelb? Leuchtet es oder ist es eher stumpf oder blass? Farben im Kopf eines Kunden entstehen zu lassen, das ist seit jeher herausfordernd. Aus diesem Grund haben sich Maler lange Zeit mit kleinen Pigmentproben beholfen. Auch im Malermuseum Hamburg steht ein solcher Pigmentkasten, der etwa hundert Jahre alt ist. Experte Michael Sommersell erklärt: "Der Pigmentkasten war der Instrumentenkasten des Malers – er half der Fantasie auf die Sprünge. Diese individuellen Rezepturen zum Mischen der Töne hüteten die Maler wie einen Schatz."

 

Unser Experte

Mit dem Pigmentkasten gelang es Malern, eine Idee vom Farbton zu vermitteln.

Michael Sommersell, 62, ist selbstständiger Maler und Sachverständiger in Hamburg und bewahrt im Malermuseum die Geschichte des Handwerks.

 

Giftgrün – geliebt, aber gefährlich

Schon immer waren Farben heiß begehrt. Meist wurden Erden und Steine dafür zermahlen. Für ein grünes Pigment zum Beispiel wurden Böhmische Grüne Erde oder der Halbedelstein Malachit pulverisiert. Der Haken: Das war teuer. 1814 gelang einem Chemiefabrikanten die industrielle Herstellung eines synthetischen Grüns. Unter dem Namen "Schweinfurter Grün" brachte er einen brillanten Farbton auf den Markt – damals eine Sensation, denn die meisten Naturfarben konnten in Sachen Leuchtkraft nicht mithalten. Eine Probe des Schweinfurter Grüns findet sich auch im Hamburger Malermuseum. Hier gilt: nur gucken, nicht anfassen! "Das Schweinfurter Grün ist giftgrün – im wahrsten Sinne des Wortes", warnt Michael Sommersell. "Denn es enthält Kupfer und giftiges Arsen." Deshalb wurde es später verboten. An seine Stelle trat das ebenfalls chemisch hergestellte Aldehydgrün. Es gelangte zu Weltruhm, als die französische Kaiserin Eugénie ein Kleid trug, das damit gefärbt war.

Ordnung für die Welt der Farben

Mit Farben waren in unserer Geschichte jahrhundertelang Privilegien und Monopole verbunden. Heute ist das längst Geschichte, und Farbsysteme sind unabhängig von Herstellern fest etabliert – darunter Pantone und NCS (Natural Colour System). Auch der Reichsausschuss für Lieferbedingungen (RAL) hat Farbcodes entwickelt, 1927 gab er die erste Farbkarte heraus. Von da an konnten Maler ihre Kunden mit Fächern beraten, die Pigmentproben hatten ausgedient. Heute umfasst der weltweit genutzte RAL-Farbstandard volle 2.530 Töne. Nicht ausgedient haben hingegen die Farbnamen. Sie haben noch immer häufig etwas mit der Natur zu tun – trotz synthetischer Herstellung. Grün gibt es als Dschungelgrün, Meergrün, Eiswassergrün, Mostbirnengrün, Kiwisorbetgrün oder Grashüpfergrün. Und das ist nur eine winzig kleine Auswahl. So ist für Kunden längst nicht mehr die Beschaffung oder gar der Preis die größte Herausforderung, sondern vielmehr die Qual der Wahl.

 

Einen Besuch wert

Das Maler- und Lackierermuseum in Hamburg dokumentiert die Geschichte des Malerhandwerks anhand von gut erhaltenen Arbeiten, Maschinen und Werkzeugen. Zeitgeschichtliche Dokumente, Gesellen- und Meisterbriefe, Zunftgegenstände und Prüfungsarbeiten verdeutlichen eindrucksvoll die Arbeitstechniken und Lebensweisen der Malergenerationen aus acht Jahrhunderten.

Zur Website des Malermuseums

 
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