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Mit Lamellen lenken

Fotos: Brigida González, Stuttgart

Dieser Artikel erschien in der colore #oxydorange

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Die Neuausrichtung eines Unternehmens bedarf auch immer eines neuen Auftritts nach außen. Nachdem der deutsche Automobilzulieferer ZF Lenksysteme mehr als 16 Jahre unter diesem Namen in Schwäbisch Gmünd bekannt war, wurde das Unternehmen 2015 von Robert Bosch übernommen. Eingebettet in das ausladende Schießtal, punktet der Standort östlich der schwäbischen Landeshauptstadt mit seinem direkten Bezug zur umliegenden Natur. Ein Mehrwert, den wulf architekten ausgearbeitet und auf den Neubau der Hauptverwaltung und des Kundenzentrums übertragen haben.

 

Unsere Baustellenlogistik mit der Logistik der Firma abzustimmen war die größte Herausforderung.

Architekt Ingmar Menzer

 

Wie Kieselsteine schmiegen sich die drei neuen Gebäude des Robert Bosch Kundenzentrums zwischen dem Sulzbach und dem Pfaffenbach in ihre Umgebung. Damit heben sie sich ganz bewusst von der strengen Orthogonalität der bereits bestehenden Produktionshallen des Unternehmens ab und greifen die natürliche Form des Ortes auf. Nicht nur eine logistische Herausforderung: So galt es an einer geografischen Engstelle, im Herzen einer Firma, dieser bei laufendem Betrieb eine neue architektonische Visitenkarte zu schenken.

Entstanden sind ein Empfangsgebäude, ein Kundenzentrum und ein Parkhaus, die sich innerhalb ihrer Höhenstaffelung von zwei über fünf bis sieben Geschossen an die topografische Umgebung anpassen und sich durch leicht konvex geschwungene Gebäudehüllen auszeichnen. Damit wird eine hohe Wirtschaftlichkeit sowie eine effiziente Raumbildung erzielt.

Gleichzeitig entsteht ein spannendes Wechselspiel zwischen Außen- und Innenraum mit hohen Aufenthaltsqualitäten. Denn auch die Neugestaltung der dazwischen gelegenen Freiflächen als ansprechender, nutzbarer Außenraum lag in den Händen von wulf architekten in Zusammenarbeit mit Jetter Landschaftsarchitekten. Hier war es den Stuttgarter Architekten wichtig, den Bedürfnissen der Mitarbeiter gerecht zu werden und die Attraktivität des Standorts zu steigern – ein Ansatz, der vonseiten des Bauherrn befürwortet wurde und den Architekten den Sieg des ausgelobten Wettbewerbs sicherte.

Ausgangspunkt dafür waren die beiden vorhandenen Bachläufe. Diese wurden nicht entfernt oder überbaut, sondern renaturiert und mit zwei neuen Brücken und Sitzstufen eingefasst. "Mit den Bächen wollten wir Situationen schaffen, die einzigartig sind", erklärt der verantwortliche Architekt Ingmar Menzer. Es galt, die natürlichen Gegebenheiten ganz bewusst aufzugreifen, wertschätzend auf die Architektur zu übertragen und bis in die Innenräume zu transportieren.

 

Technisch war die Herausforderung: große, glatt gespachtelte Deckenflächen ansatz- und streifenfrei mit Farbe zu beschichten.

Maler Günther Kalmbach

 

Da die Natur per se in sich stimmig und harmonisch ist, aber zugleich auch ein sehr aufgeregtes Farben- und Formenspiel mit sich bringt, entschieden sich die Architekten dafür, reduzierte Innenräume zu entwickeln, die der Natur als dezente Leinwand dienen. Gedeckte, helle Farben und puristische, unbehandelte Materialien, wie Sichtbeton und Holz, prägen somit die weitläufigen Arbeitsbereiche und Treppenhäuser.

Vor allem die Holzelemente greifen dabei nicht nur auf Basis ihrer Materialität die einfassenden Laubwälder auf. Durch ihr alternierendes Spiel aus begleitenden Wandflächen und Rücksprüngen sowie ihr Aufgehen in Möbeln wie Einbauschränken und Theken verkörpern sie das vielfältige, filigrane Bild des Waldes innerhalb der Bürolandschaft. Die betonkernaktivierten Decken wurden dabei mit Spachtelmasse und weißer Farbe von Brillux versehen.

Dies erzeugt ein einheitliches, ruhiges Bild, das als neutrale Fläche das Licht und die Farben optimal von außen bis in die Tiefe der Innenräume transportiert und projiziert. "Hier setzten wir auf Spritztechnik mit Airlessgeräten – Superlux ELF 3000 von Brillux eignet sich hierzu bestens", sagt Günther Kalmbach von Gebrüder Hörner. Ein Leitsystem von büro uebele greift ergänzend, sowohl im Innen- als auch im Außenbereich, die quadratische Grundform sowie die Farben des bereits vorhandenen Orientierungssystems von Bosch auf.

Die eigentlichen Arbeitsbereiche sind zur Fassade hin angeordnet und werden mithilfe der tageslichtgesteuerten Lamellen vor direkter Sonneneinstrahlung geschützt. Während die Lamellenfassade nach außen hin einen geschlossenen Charakter vermittelt, bietet sie im Innern durch die Platzierung der einzelnen Elemente größtmögliche Offenheit – ein Changieren zwischen Öffnung und Zurücknahme, das es grundsätzlich bei der Planung dieser Architektur zu beachten galt.

 

Wir wollen ehrliche Materialien.

Architekt Ingmar Menzer

 

Der Neubau soll Transparenz vermitteln, aber dem Unternehmen auch zugleich als schützende Hülle dienen. Aus diesem Grund besitzt das vordere Empfangsgebäude auch ein Alleinstellungsmerkmal und eine singuläre Funktion: Zweigeschossig vollständig verglast und im Innern über sieben Meter geöffnet, suggeriert es maximale Transparenz. "Man soll sich empfangen fühlen", so Ingmar Menzer.

Gleichsam dient das Gebäude als bewusst wahrnehmbare Grenze zum dahinter befindlichen Werk. Dies wird von den Architekten zusätzlich unterstrichen, indem sie das Empfangsgebäude auf der anderen Bachseite errichtet und über zwei neue Brücken mit dem rückwärtigen Gelände verbunden haben.

Ein sehr aussagekräftiger und symbolträchtiger Gebäudekomplex, der intensiv mit der natürlichen Umgebung agiert, Innovation und Technologie verkörpert und den Bedürfnissen der MitarbeiterInnen des Unternehmens gerecht werden will. Es war eine Zusammenarbeit mit einem Bauherrn, der zeigt, was es heißt, "darüber nachzudenken, wie die Arbeitswelt von Forschern, Entwicklern und Ingenieuren in den nächsten 20 bis 30 Jahren aussehen soll, wenn man sie für sich gewinnen möchte", so Architekt Menzer.

 

Projektdaten

  • OBJEKT | STANDORT Kundenzentrum Bosch Automotive Steering, Schwäbisch Gmünd
  • BAUHERR | NUTZER Robert Bosch Automotive Steering GmbH, Schwäbisch Gmünd
  • ARCHITEKTEN wulf architekten gmbh, Stuttgart
  • TECHNISCHE BERATERIN Sabine Reith, Brillux Stuttgart
  • AUSFÜHRENDE MALERBETRIEBE Gebrüder Hörner GmbH, Schwäbisch Gmünd und Heinrich Schmid Systemhaus GmbH & Co. KG, Stuttgart
 
 
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