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Das sechste Element: Grau, grauer, Graphit

Fotos: Graphit Kropfmühl GmbH

Dieser Artikel erschien in der colore #graphitgrau

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Es begab sich zu einer Zeit, die sehr lange zurückliegt, über 300 Millionen Jahre. Wir nennen diese Zeit heute Karbon: Riesige Urwälder verkohlen oder, wie Wissenschaftler es nennen, karbonisieren. Später wird Kohlenstoff das sechste Element unseres Periodensystems und er hat, wenn er in seiner Reinform vorliegt, zwei wunderschöne Töchter: Diamant und Graphit. Hier ist ihre Geschichte.

Diamanten zählen zu den wertvollsten Gütern unserer Erde. Mit Härte 10 gelten sie als unzerstörbar, denn sie wurden unter unglaublichem Druck gepresst. So zieren sie als geschliffene Edelsteine die Kronen von Königen und Kaisern, die Halsbänder von Stars und Sternchen, um ihretwillen wurde geliebt und gemordet, sie wurden geraubt und an Diamantenbörsen gehandelt und galten in der Hand brutaler Potentaten als Blutdiamanten.

Eine Geschichte voller Ereignisse und Emotionen, getränkt mit Blut und Tränen. Vom Diamantendiadem der Marie Antoinette bis zum politisch umstrittenen, von den Briten geraubten Koh-i-Nor haben Diamanten Geschichte geschrieben wie kein anderer Stein.

Der Graphit war neben der illustren Schwester eher die graue Maus, die unscheinbare Unbekannte, das anonyme Allotrop (Allotrop bezeichnet zwei Erscheinungsformen des gleichen Elements – hier das Element Kohlenstoff mit der Ordnungszahl 6, aber das ist nur interessant für Chemiker und Mineralogen). Der Graphit verdankt seine unscheinbare Geschichte seinem geringen Preis und seinem häufigen Vorkommen. Die Tonne kostet aktuell 1.800 Dollar, der bekannteste Diamant der Welt, der Koh-i-Nor im Kronschatz der britischen Königin, wird dagegen mit 105,6 Karat auf 400 Millionen Euro geschätzt.

Etwa 1.300.000 Tonnen Graphit werden jährlich ober- und unterirdisch geschürft, besonders intensiv in China und Indien, Madagaskar und Simbabwe, aber auch in der näheren Umgebung, etwa bei Passau und in der Steiermark. Dass Österreich bis in die 60er Jahre zweitgrößter Förderer der Welt war und heute nur noch ein Graphit-Zwerg ist, zählt zu den Aberwitzigkeiten der Graphit-Geschichte, von denen es viele gibt. Im Revolutionsjahr 1789 gab der deutsche Mineraloge Abraham Gottlob Werner dem Stoff seinen Namen, abgeleitet vom griechischen Begriff "graphein" für Schreiben, denn als Schreib- und Zeichenmaterial ist Graphit seit der Antike in Europa geschätzt.

So steckt auch in dem bekannten Bleistift kein Blei – sonst wäre jedes Kauen auf dem Stift ein Anschlag auf die Gesundheit des Kauers –, sondern eben Graphit. In den napoleonischen Kriegen verhängte England ein Ausfuhrverbot für ebenjene Bleistifte, da das Material auch für die Veredlung von Geschossen sehr geeignet war und ist.

Im Gegensatz zur schönen Schwester ist Graphit ein wahrer Held des Alltags. Das sechste Element findet sich nicht nur in jedem Künstlerbedarf, es ist ein begehrtes Schmiermittel und bei der Herstellung von Bremsbelägen unverzichtbar. Hier hat der Graphit das gefährliche Asbest verdrängt, und auch als Dämmstoff ist er ebenso begehrt wie bei der Herstellung von Elektrostahl und Elektroden. Seine Vielseitigkeit ist seine Stärke, sein Nutzen macht seinen Wert aus. Übrigens: Seit der Rechtschreibreform dürfen wir Graphit auch mit f schreiben.

Graphitgraue Kubaturen

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