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Malerbetrieb Schaumburg: Abschied und Aufbruch

Fotos: Daniel Elke

Dieser Artikel erschien in der MarktImpulse 2/21

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Das Ende für den Malerbetrieb Schaumburg in Essen war längst besiegelt. Nach dem Tod des Vaters entschloss sich die Tochter, das Unternehmen doch weiterzuführen. Jessica Schaumburg hat nun eine Doppelrolle inne: als Chefin und als Auszubildende

Wenige Wochen nach dem Tod ihres Vaters saß Jessica Schaumburg in ihrer Kölner Wohnung und grübelte. Die studierte Wirtschaftspsychologin dachte an ihre Kindheit im Familienbetrieb und an die vielen Baustellen, die ihr als Abenteuerspielplatz gedient hatten. Sie erinnerte sich auch daran, dass sie als Jugendliche ernsthaft überlegt hatte, Innenarchitektur zu studieren. Der 27-Jährigen kam der Gedanke: "Ein eigener Malerbetrieb geht ja in eine ähnliche Richtung. Zudem gibt es keinen besseren Geruch als den von frisch gestrichener Farbe."

 

Mein Mann hat sogar Weihnachten noch an seinen Angeboten gesessen.

Monika Schaumburg, Mitgeschäftsführerin

 

Während Jessica Schaumburg diese Überlegungen anstellte, war der Verkauf des "Malerbetriebs Schaumburg" an ein Unternehmen aus dem benachbarten Bochum längst beschlossene Sache. "Das hatte alles noch mein Vater in die Wege geleitet", erklärt sie. Als Rolf Schaumburg mit über 70 Jahren in Rente gehen wollte, hatte er damit begonnen, seinen Betrieb Schritt für Schritt zu verkleinern. Ohne einen Nachfolger gefunden zu haben, ging es ihm vor allem darum, das Unternehmen vernünftig abzuwickeln. "Mein Mann hatte mal drei Sekretärinnen beschäftigt", erinnert sich Jessica Schaumburgs Mutter Monika. "Am Ende war er sein eigener Sekretär."

Doch bevor die Abwicklung endgültig vonstattengehen konnte, verstarb Rolf Schaumburg im Juni 2020 unerwartet im Alter von 73 Jahren. "Das war ein großer Schock für uns", erzählt Jessica Schaumburg. Ihre Mutter nickt. Beide hatten sich bereits vor ihrem Verlust mit dem Gedanken anfreunden müssen, dass ihr Familienname erst von den Kleintransportern und damit auch bald aus dem Gedächtnis der Kunden verschwinden würde. Nach 72 Jahren war das Ende des Familienunternehmens besiegelt. Doch für die Mitarbeiter hatte der ehemalige Chef vorgesorgt: Die fünf Kollegen sollten einen Arbeitsplatz in der Firma erhalten, die den Betrieb Schaumburg kaufen sollte.

 

Wir waren alle erleichtert, als sie die Entscheidung verkündet hat.

Andreas Salomon, Geselle

 

Doch es kam anders

"Ich wollte, dass der Name weiterlebt", erklärt Jessica Schaumburg. "Also habe ich mich entschieden, die Familientradition weiterzuführen." Nach diesem Entschluss musste es schnell gehen. Die 27-Jährige kündigte ihren Job bei einem Telekommunikationsunternehmen, machte die Vereinbarung mit der Bochumer Firma rückgängig und übernahm die Geschäfte des Malerbetriebs.

Dafür betrat sie gleich zwei neue Welten: Sie wurde nicht nur plötzlich Chefin, sie wurde zeitgleich auch Auszubildende. "Ich wollte den Beruf von Grund auf erlernen", so die Essenerin. Also begann sie gleich im Oktober 2020 die Ausbildung zur Malerin und Lackiererin. Seitdem pendelt Jessica Schaumburg zwischen Schreibtisch und Baustelle. Sie kann die Rollen gut voneinander trennen. Kehrt sie von einem geschäftlichen Termin zurück, hängt sie ihren dunklen Blazer an die Garderobe und schlüpft in den weißen Maleroverall.

Auf der Baustelle trifft sie meist Wolfgang Kammstieß. Der Malermeister, 70, bringt ihr die Grundlagen des Handwerks bei. Statt sich in den Ruhestand zu verabschieden, übernahm er die Rolle des Mentors. Unter seiner Aufsicht verlegt die Azubine jetzt Fußböden, schleift Oberflächen ab und klebt Tapeten an die Wand. "Und zwischendurch telefoniere ich dann noch mit dem Steuerberater", sagt sie lachend.

Es geht weiter

Die Abschiedsgedanken sind längst der Aufbruchstimmung gewichen. Es geht weiter in Essen – mit der dritten Generation. Den Anfang machte Firmengründer Herbert Schaumburg: Er legte 1947 in Bremen die Meisterprüfung ab und machte sich im Jahr darauf in seiner Heimatstadt Essen als Maler selbstständig. Jessica Schaumburg kennt die Geschichten über ihren Opa nur aus Erzählungen, er starb 1968 an den Folgen einer Krebserkrankung. Zu diesem Zeitpunkt war sein Sohn Rolf Schaumburg bei der Bundeswehr verpflichtet. "Mein Vater hat dann einen Härtefallantrag gestellt, um den Dienst abbrechen zu können", erklärt Jessica Schaumburg. Er übernahm kurzerhand den Betrieb, schloss in nur einem Jahr die Meisterschule ab und rettete so den Fortbestand des Familienunternehmens.

 

Malerbetrieb Schaumburg

Herbert Schaumburg gründete den "Malerbetrieb Schaumburg" im Jahr 1948. Der Firmensitz befand sich zunächst im Essener Stadtteil Rüttenscheid. 1993 zog sein Sohn Rolf Schaumburg ins Südostviertel. Das Leistungsspektrum umfasst Maler- und Fassadenarbeiten, Trockenbau und Wärmedämmung und den Innenausbau von Immobilien, inklusive der Verlegung von Fußbodenbelägen.

Zur Website des Malerbetriebs Schaumburg

 

Jessica Schaumburg hält inne. "Ich merke gerade, dass das damals so ähnlich wie bei mir gelaufen ist", sagt die Geschäftsführerin. Sie blickt zu ihrer Mutter. "Ist dir das noch nicht aufgefallen?", fragt Monika Schaumburg und lächelt. Die spontane Entscheidung ihrer Tochter, den Betrieb zu übernehmen, hatte sie überrascht. "Damit hätte ich ehrlich gesagt nicht gerechnet", gibt die 63-Jährige zu. Ihre Tochter studierte in Köln, sammelte Auslandserfahrung im USBundesstaat Vermont und im schottischen Edinburgh. Die heutige Chefin erinnerte sich jederzeit gern an ihr Zuhause und das damit verbundene Handwerk. Dennoch habe sie nie daran gedacht, das Unternehmen in ferner Zukunft zu übernehmen, so Jessica Schaumburg.

Heute sind Mutter und Tochter glücklich, dass es weitergeht. Monika Schaumburg weiß aber auch um den Stress, den der Beruf mit sich bringt: "Das habe ich jahrzehntelang bei meinem Mann miterlebt. Der hat sogar Weihnachten noch an seinen Angeboten gesessen." Der Malermeister beschäftigte in den 1980er-Jahren zeitweise 50 Mitarbeiter. Er zog große Aufträge an Land, wie die Messe Essen. Auch außerhalb des Ruhrgebiets machte sich der "Malerbetrieb Schaumburg" einen Namen. Damit die junge Unternehmerin nicht ebenfalls unter dem Tannenbaum kalkulieren und Angebote schreiben muss, unterstützt Mitgeschäftsführerin Monika Schaumburg ihre Tochter, etwa bei der Buchhaltung.

Es geht voran

"Wir wollen wieder mehr Privatkunden für uns gewinnen", verrät Jessica Schaumburg ihre Zukunftspläne. Sie möchte die Fähigkeiten des Teams einsetzen: Ihre Mitarbeiter beherrschen aufwendige Kalkspachteltechniken und erzeugen mit Wandlasuren facettenreiche Muster oder Reliefs. "Die Kollegen können eigentlich alles", unterstreicht sie, "da spürt man die lange Erfahrung." Auf den Baustellen kann sich die Quereinsteigerin auf ihr Team verlassen. Malermeister Wolfgang Kammstieß ist, wie in all den Jahren zuvor, das Bindeglied zwischen Kunden und Geschäftsführung. "Der kennt im Lager nicht nur jede einzelne Schraube, er hat auch mehr als fünf Jahrzehnte Berufserfahrung. Davon profitieren wir ungemein", so Jessica Schaumburg.

Auch die vier Gesellen sind froh, dass es für sie in Essen weitergeht. "Wir waren alle erleichtert, als sie die Entscheidung verkündet hat", sagt der 51-jährige Andreas Salomon, der seit 34 Jahren im Betrieb arbeitet. Jessica Schaumburg plant, ihr Team zu vergrößern und gleichzeitig zu verjüngen. Im August vergibt der "Malerbetrieb Schaumburg" wieder einen Ausbildungsplatz. "Wir müssen in die Zukunft investieren", erklärt die 27-Jährige.

Sie schließt ihre Ausbildung im Herbst 2022 ab. Mit Abitur konnte sie von drei auf zwei Jahre verkürzen. "Eigentlich wollte ich das sogar in eineinhalb Jahren schaffen", erzählt Jessica Schaumburg. Doch dazu hätte sie gesund bleiben müssen: Stattdessen kamen ihr zwei Knochenbrüche in die Quere. "Statt weiter Praxiserfahrungen zu sammeln, konnte ich in dieser Zeit wenigstens viel Theorie pauken", sagt sie. Da es aufgrund der Corona-Pandemie kaum Präsenzunterricht an der Berufsschule gab, setzte Jessica Schaumburg auf digitales Lernen. Auch mit der App "Simpleclub": "Die hat mir echt geholfen."

Erst Abitur und Studienabschluss, dann Ausbildung und Unternehmertum: Bei der Frage, was für sie als Nächstes kommen wird, fällt Jessica Schaumburgs Blick auf eine Wand in ihrem Büro. Dort hängen die Meisterbriefe ihres Großvaters und ihres Vaters. Jessica Schaumburg betrachtet die freie Stelle darunter und sagt: "Da wäre noch etwas Platz für meinen Meisterbrief."

 

Es gibt keinen besseren Geruch als den von frisch gestrichener Farbe.

Jessica Schaumburg, Geschäftsführerin und Auszubildende

 
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